Mittwoch, 3. Oktober 2012

Tag 6 - Rüber nach Schweden und zurück nach Deutschland

Auf nach Schweden !

 Den 6. Tag ließ ich dann ruhig angehen: "Mit der Fähre rüber nach Helsingborg und dann dort einen Ruhetag einschieben" lautete der Plan. Doch in Helsingborg machte ich mir später meine Gedanken und fasste den Entschluss, so schnell wie möglich zurück nach Deutschland zu reisen. Die Schmerzen waren zu groß, als dass ich mir hätte vorstellen können, dass die Schwellung nach 1-2 Tagen wieder weg sein könnte.

Mittlerweile weiß ich, dass diese Entscheidung richtig war, denn in Deutschland dauerte es ganze 2 Wochen, bis ich überhaupt wieder schmerzfrei laufen konnte. Doch was für ein "Theater" die Rückreise noch werden würde, ahnte ich am Morgen des 6. Tages noch nicht.


Ein letzter Blick auf das Schloss von Helsingør

Zunächst entspannte ich noch etwas in Helsingør, um gegen Mittag mit der Fähre nach Helsingborg überzusetzen. Helsingør und Helsingborg trennen gerade einmal fünf Kilometer, jedoch kann man diese Strecke leider dennoch nicht mit dem Rad bewältigen, da es zwischen Dänemark und Schweden keine für Radfahrer freigegebene Brücke gibt.


Helsingborg


Ich hatte gehört, dass es in Helsingborg eine Fähre geben soll, die mich nach Travemünde bringen würde. Als ich vor Ort nachfragte, sagten mir jedoch ausnahmslos alle Leute, dass es solch eine Fähre nicht gäbe. Ich müsse es in Malmö probieren, hieß es immer wieder.

Eigentlich wollte ich mit dem Rad keinen Kilometer mehr fahren, da die Schmerzen einfach zu groß waren. Jedoch soll die Radmitnahme in schwedischen Bahnen sehr problematisch sein und so musste ich die Strecke notgedrungen angehen.


Schweden


Der Wind war an diesem Tag sehr extrem, glücklicherweise hatte ich aber eine ganze Weile Rückenwind. Ging es jedoch mal gegen den Wind, war es ein ganz schöner Kraftakt! Landschaftlich gefiel mir Schweden sehr gut und ich fasste schnell den Entschluss, Schweden auf jeden Fall irgendwann nochmal ausgiebiger zu bereisen.




Ich kam gut voran und ich fuhr ca. 15 Kilometer mit einem schwedischen Ehepaar zusammen, die ich an einer kniffeligen Stelle nach dem richtigen Weg gefragt hatte. Das hatte gleich zwei Vorteile: Sie zeigten mir den besten und kürzesten Weg nach Malmö und zugleich lenkte mich das Gespräch während der Fahrt von meinen Schmerzen ab. Die Beiden erzählten mir, dass sie demnächst eine Fähre nach Rostock nehmen würden, um von dort eine Radreise zu starten. Was sie jedoch auch erzählten und was ich nach den ganzen Aussagen in Helsingborg nicht ganz glauben konnte: In Malmö sollte es ebenfalls keine Fähre nach Deutschland geben!




Leider hatten sich die Beiden nicht geirrt! In Malmö konnte mir niemand sagen, wo im Hafen eine Fähre nach Deutschland abfahren würde. Es war bereits Abend, als ich Malmö erreichte und meine Nerven lagen blank! Nachdem ich realisiert hatte, dass hier tatsächlich keine Fähre abfahren würde, musste ich mich durch Menschenmassen drängeln, da in Malmö gerade ein Stadtfest stattfand. Ich suchte den Bahnhof, doch auch von dort konnte ich nicht nach Deutschland zurückfahren. Das Dilemma mit der Fahrradtmitnahme in Bahnen kannte ich ohnehin schon zur Genüge und so hatte ich mir eh keine großen Hoffnungen gemacht. Ich hätte höchstens nach Berlin fahren können. Dazu hätte ich jedoch mein Rad als Gepäckstück aufgeben müssen, was alleine schon 80 Euro gekostet hätte. Zudem hätte ich mehrere Sachen vom Rad abschrauben müssen, damit es als Gepäckstück akzeptiert worden wäre. Und dann wäre ich ja gerade einmal in Berlin!

Malmö nicht mehr weit - hier war es noch (!) einigermaßen hell

Also sah ich bald ein, dass ich weiter nach Trelleborg musste - ob ich wollte oder nicht. Es war zu dem Zeitpunkt dann bereits nach 22 Uhr, was die Sache in einer Großstadt nicht ungefährlicher und einfacher macht - vor allem, wenn man keine Stadtkarte besitzt und das Toursimus-Office bereits geschlossen hat.

Doch bald traf ich zum Glück einen Ortskundigen, der gerade mit dem Rad durch die Stadt fuhr. Er ließ mich noch wissen, was für ein Glück ich hätte, ausgerechnet ihn angesprochen zu haben, da es sich wohl nicht um das "beste und ungefährlichste Viertel der Stadt" (Zitat von ihm) handelte. Ich war nach der Aussage anfangs etwas skeptisch, zumal er eine leichte Alkoholfahne hatte, aber bald stellte sich heraus, dass er mir wirklich helfen wollte - und wie! Er zeigte und beschrieb mir den simpelsten Weg aus einer Großstadt heraus, den ich je gefahren bin. Wir fuhren gemeinsam bis zu einer Kreuzung, an der sich unsere Wege trennen sollten. Von dort aus musste ich kilometerlang einfach immer geradeaus bis Vellinge fahren, einfacher geht es nun wirklich nicht! Erst ab Vellinge wurde es dann wieder komplizierter. Im Nachhinein bin ich wahnsinnig dankbar, dass ich dem Mann begegnet bin und es tat mir etwas Leid, dass ich erst ein gewisses Misstrauen ihm gegenüber gehegt hatte. Natürlich muss man sich immer gut überlegen, wen man nachts in einer fremden Großstadt anspricht und eine gewisse Vorsicht ist ratsam, aber ich habe es mittlerweile schon des Öfteren auf Radreisen erlebt, dass mir die Menschen geholfen haben, von denen ich es nach einem ersten oberflächlichen Eindruck am wenigsten erwartet hätte.


Nachts erreichte ich Trelleborg

Von Vellinge bis Trelleborg war es anschließend hier und da nochmal kniffelig, den richtigen Weg zu finden. Doch nachts um 2 Uhr erreichte ich endlich die Stadt im Süden Schwedens (Trelleborg) - und ich war tatsächlich noch rechtzeitig, um eine Fähre zu bekommen. Diese letzte Fähre nach Travemünde fuhr um 2.30 Uhr! Nach 137,62 Kilometern war ich endlich in der Fähre und auf dem Rückweg nach Deutschland. Es waren also nochmal über 137 Kilometer am letzten Tag gewesen und ins Reisetagebuch hatte ich am Morgen scheinbar voreilig "1. Ruhetag" eingetragen - welch´ Ironie...!

Endlich in der Fähre und völlig "fährtig"

Am nächsten Morgen gegen 9 Uhr legte die Fähre dann in Travemünde an und ich nahm die Bahn zurück nach Kaltenkirchen. Nun konnte ich mit dem Rad wirklich keinen Kilometer mehr fahren - erst 2 Wochen später war meine Achillessehne wieder in einem Zustand, in dem ich schmerzfrei radeln konnte.

Auch wenn ich die Tour deutlich verkürzen musste, blicke ich im Nachhinein trotz aller Schmerzen äußerst gerne auf diese 6-7 Tage zurück. Von den Skandinaviern habe ich einen äußerst positiven Eindruck gewonnen. So freundliche Leute sind mir wirklich noch in keinem anderen Land begegnet. Zudem konnte ich mich sportlich ein ums andere Mal richtig fordern. Jeden Tag mehr als 100 Kilometer gefahren, am ersten Tag sogar über 160 Kilometer zurückgelegt und insgesamt 800 Kilometer in nur 6 Tagen mit einem (inklusive Gepäck) ca. 40 Kilogramm schweren Fahrrad, obwohl mich die meiste Zeit über starke Schmerzen begleitet haben - das alles sind Zahlen, mit denen ich vom sportlichen Gesichtspunkt aus sehr zufrieden sein kann.

Für die Zukunft muss ich mir jedoch fest vornehmen, bei derartigen Schmerzen die Vernunft dem sportlichen Ehrgeiz voranzustellen und eher einen Ruhetag einzuschieben.